KaiObis Blog

So kann mans auch sehen…

Irrungen und Wirrungen im Alltag eines Nachhilfelehrers…

Heute war es wieder so weit. Ich geriet wieder an die magische Grenze.

Ich gebe bereits seit etlichen Jahren Nachhilfe. Anfangs als Schüler für Schüler, danach als Student. Man erlebt vieles, Nachprüflinge, die auf Krampf versetzt werden wollen, Schüler, die absolut gefrustet über Mathe sind und am liebsten das Fach vom Lehrplan streichen würden. Und dann gibt es solche, die offenbar Leistung über alles andere setzen.

Bereits vor einigen Jahren fragte mich eine Schülerin, ob ich ihr bei ihrer Facharbeit helfen könne. Es ging hin und her mit Mails, Anrufen, Bilder zu Erläuterungen, Termine vor Ort. Irgendwann kam dann eine Mail, da hatte ich den Glauben verloren. „Die Arbeit muss gut werden, mein Vater zahlt Ihnen, was Sie wollen!“ Ich war damals geschockt, immerhin kannte ich die Schülerin seit Jahren. Diesen Lösungsweg konnte ich ihr ausreden, sie sah ein, dass das ein Schnellschuss ohne großes Nachdenken war, dass sie ja einfach „nur die Note retten“ wollte. Wir vereinbarten neue Stunden, ihre Facharbeit hat sie daraufhin komplett selbst geschrieben – und auch eine gute Note dafür bekommen, auf die sie stolz sein konnte.

Seit damals ist viel Zeit vergangen, besagte Schülerin hat mittlerweile ihr Abitur in der Hand. Der Glauben an die Menschheit war wiederhergestellt. Bis heute.

Ein mir unbekannter Student schreibt mich auf mein Inserat im Internet an.

„Sorry, wollte dich nicht überfallen, aber ich studiere [Irgendwas Technisches] in [nicht mal ansatzweise in meiner Nähe] – ich schreibe morgen Mathe 3. Das ist mein letzter Versuch, ich muss das bestehen.  Kann ich dir morgen Fotos schicken und du löst die Aufgaben dann für mich? Den Stundenlohn verdopple ich dir, für dich besteht kein Risiko, Geld überweise ich dir dann über Paypal.“

Ich habe kurz überlegt, wie man auf so etwas antwortet. Letztendlich habe ich mich entschieden, gar nicht zu antworten und die Mail beim Inserate-Dienst als Spam zu melden. Kurz ging mir der Gedanke durch den Kopf: Wenn du jetzt nicht eh gerade Schüler hättest… würdest du das annehmen? Natürlich kam neben dem schlechten Gewissen auch gleich noch genug andere Gedanken auf: Was, wenn das mal einer rausfindet? Eine Stelle finden mit solch einer „Vorbelastung“ wird sicher unterhaltsam. Bin ich dann generell käuflich? Wo zieht man da die Grenze? Sind wir Nachhilfelehrer schon so weit unten angekommen, dass wir die Ghostwriter der Matheklausuren sind?

Kurzum, ich finde das irgendwie schade und bin wieder einmal von der Welt beeindruckt, dass sie mich nach all den Jahren immer noch hinterrücks eiskalt erwischen kann.

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